Interview mit Dieter Haag: Männer kommunizieren anders als Frauen
In seinem Seminar „Gib mir mal den Hammer – Aktivitäten für Männer mit Demenz“ zeigt er Betreuungs-, Pflege- und Begleitpersonen, wie sie individuelle kreative und fördernde Angebote für Männer mit Demenz planen und umsetzen können. Demenz Support Stuttgart hat mit Dieter Haag ein Interview geführt und gefragt, wie man Männer motivieren kann, an Aktivitäten teilzunehmen, was man unter „männlicher Kommunikation“ versteht und was ein gelungenes Freizeitangebot ausmacht.
Demenz Support: „Lieber Herr Haag, in Ihrem Seminar sprechen Sie von „männlicher Kommunikation“. Wie kommunizieren Männer im Vergleich zu Frauen?“
Dieter Haag: „Frauen nutzen Kommunikation zur Bewältigung von Problemen, Männer jedoch üben sich in einer Kultur des Schweigens. Einfach umschrieben: Männer sind so sozialisiert, dass sie Probleme selbst versuchen zu beherrschen und erst nach erfolgreicher Zielerreichung über die Situation reden. So ist „der Mann“ schon in seiner Biografie seinen Problemen überlassen. Männer sind recht schwer zu Freizeitangeboten im ambulanten wie auch im stationären Bereich zu motivieren. Herauszufinden, was der Mann oder die Männer als Stereotype, aber auch als individuelle Persönlichkeit möchten, ist gerade hier die besondere Aufgabe, da Männer nicht gerne über Emotionen zu reden scheinen.“
Demenz Support: „Wie kann man Männer im Alter und mit Demenz motivieren, an Angeboten in einer Einrichtung teilzunehmen?“
Dieter Haag: „Es ist die Aufgabe der Pflege- und Begleitpersonen, Männern die Möglichkeiten zu geben, ihre Ansprüche und Vorstellungen von einer zufriedenstellenden Alltagsgestaltung zu äußern. Um mit ihnen in Kommunikation zu gehen, werden Worte, Stimme, Körperhaltung, Verortung im Raum, Gestik, Mimik aber auch die Abwesenheit der Männer selbst zur Grundlage achtsamer Kommunikation. Im Seminar „Gib mir mal den Hammer!“ stellen wir uns die Frage, wie etwa eine Atmosphäre gestaltet werden muss, welche Bedeutung die Geschlechterrolle im Alltag hat oder wie Ängste, die letztendlich zu Blockaden führen, angesprochen werden dürfen."
Demenz Support: „Männlichkeit“ wird gerne mit den Begriffen „Werkzeug“ und „Handwerksarbeit“ assoziiert. Sollte das automatisch der Ansatz einer Männer-orientierten Freizeitgestaltung sein oder denken wir zu klischeehaft?"
Dieter Haag: „Nicht was ich mache ist entscheidend, um mich als Mann zu aktivieren, sondern das „Warum?“. Und hier muss man nicht im Nebel des Ungeklärten stochern, sondern wir können pragmatisch den Mann als Menschen annehmen. In den Seminaren lerne ich persönlich immer wieder neue Zugänge zu diesem Denken. Viele positive Erfahrungen gibt es dort, wo es eine offene Beobachtung gibt: Man(n) macht gerne etwas für andere, Man(n) freut sich, wenn die andere Person freundlich, herzlich und stressfrei ist. Man(n) macht gerne etwas, wenn ihm das Material liegt, d.h. angenehm ist. Man(n) macht gerne etwas, wenn es Sinn macht, bzw. er gebraucht wird. Nach dieser Erkenntnis, warum Männer aktiv werden, wird es leichter mit einfachen Mitteln den Alltag zu gestalten, aufzupeppen und in den einzelnen Aktivitäten eine hohe Zufriedenheit zu bewirken.“
Demenz Support: „Worauf sollten Anbieter bei der Konzeptionierung eines Freizeitangebots achten?“
Dieter Haag: Es sind viele Facetten, die zu beachten sind. Davon können wir einige als grundlegend für eine gelingende Arbeit mit Männern im Alter und Männern mit Demenz einbeziehen, andere wiederum sind als unbedingtes „Muss“ anzunehmen. Als Facetten eines erfolgreichen Freizeitangebotes nehme ich mir in einer inneren Checkliste folgende Faktoren her: Zugang über die Biografie, Sinn und Nützlichkeit, Bewegung, Soziales, situative Befindlichkeit der Teilnehmer, ideales Setting, Wertvorstellungen und letztendlich die Freude am Angebot selbst. Es reicht nicht, sich auf einen einzelnen Aspekt zu reduzieren. Es stellt sich heraus, dass wir die Wechselseitigkeit und das Zusammenspiel der Bedingungen beachten müssen.“
Demenz Support: „Worüber dürfen sich die Teilnehmer:innen des Seminars „Gib mir mal den Hammer“ freuen?“
Dieter Haag: „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dürfen ihre Fragen und Themen mitbringen. Zum einen finden wir Antworten für diese, zum anderen gibt es über den Tag praktische Übungen, die die Antworten stützen. Der theoretische Hintergrund wird so vermittelt, dass das eigene professionelle Wissen stabilisiert und weiterentwickelt wird. Nach diesem Seminartag nimmt man viele Ideen nach Hause mit und ist um einige Antworten reicher. Besonders die Seminarteilnehmerinnen dürfen gespannt sein: Ich gebe im Rahmen der Veranstaltung auch das einen oder andere Männergeheimnis preis (lacht).“
Demenz Support: „Lieber Dieter Haag, vielen Dank für das Interview.“
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