Interview mit Herbert Rösch: „Ich wollte Projekte angehen, die niemand umgesetzt hätte.“
Mit welchem Sinn wurde die Erich- und Liselotte Gradmann-Stiftung gegründet?
Herbert Rösch: „Die Stifterin Liselotte Gradmann hatte das Bedürfnis, für ältere hilfsbedürftige Menschen zu sorgen. Sie war Bürgerin der Stadt Ostfildern, zum damaligen Zeitpunkt bereits 20 Jahre verwitwet, hatte keine Kinder und kaum mehr Familie. Sie hatte selbst erlebt, wie das ist, im Alter allein und auf Hilfe angewiesen zu sein. Es war ihre Motivation, ihr gesamtes Vermögen in die Stiftung einzubringen.“
Wie hat die Stiftung den Willen der Stifterin umgesetzt?
Herbert Rösch: „Die Stiftung hat verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel in dem sie Wohnraum für hilfsbedürftige Senioren und Seniorinnen geschaffen sowie in Forschung und Entwicklung investiert hat, um möglichst gute Ansätze, für die Pflege älterer Menschen zu bekommen. Eine Stiftung hat im Gegensatz zur öffentlichen Hand mehr Möglichkeiten, Dinge in die Wege zu leiten, die finanziell nicht leicht umsetzbar sind.“
Sie waren geschäftsführendes Vorstandsmitglied und später Geschäftsführer der Gradmann-Stiftung, was motivierte Sie diese Tätigkeit all die Jahre auszuüben?
Herbert Rösch: „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es die Aufgabe unserer Gesellschaft und unserer Gemeinschaft ist, den Menschen zu helfen, die sich selbst nicht helfen können. Es war mir immer wichtig, dass in jeder Kommune Einrichtungen zur Verfügung stehen, um im Alter Unterstützung zu bekommen, wenn man sich selbst nicht mehr versorgen kann. Als Geschäftsführer der Gradmann-Stiftung wollte ich Projekte und Themen angehen, die sonst niemand umgesetzt hätte. Das war meine tiefste Motivation.“
31 Jahre Gradmann-Stiftung: Was waren Ihre persönlichen Highlights?
Herbert Rösch: „Es gab viele Highlights, zum Beispiel die Gebäude, die wir gebaut haben. Das Gradmann-Haus in Stuttgart-Kaltental war ein bundesweites Modellprojekt für demenzbetroffene Personen. Die Pflegeheime und das Gradmann-Haus in Ostfildern sind alles innovative Häuser, die viele Aspekte in sich bergen, die traditionelle Häuser nicht haben. Eines unserer besonderen Highlights ist die Demenz Support Stuttgart. Eine 100-prozentige Tochter der Gradmann-Stiftung, die sich seit 20 Jahren um Forschung und Entwicklung im Bereich Demenz kümmert, Projekte initiiert, Innovation in die Szene bringt und dafür sorgt, dass Wissen in die Praxis transportiert wird. Das sind Highlights, die in all diesen Jahren durch die Erich- und Liselotte Gradmann-Stiftung ermöglicht wurden."
Wenn Frau Gradmann noch leben würde, wie würde sie die aktuelle Stiftungsarbeit sehen?
Herbert Rösch: „Ich glaube Frau Gradmann wäre mit unserer Arbeit zufrieden. Die Vorstände der Stiftung haben ihr Bestes gegeben, um den Stifterwillen umzusetzen. Wenn sie die vier Häuser der Gradmann-Stiftung sehen würde und auch das jüngste, das Haus Liselotte in Ruit, das nach ihr benannt wurde, sowie die Arbeit der Demenz Support Stuttgart in den vergangenen 20 Jahren - ich denke, sie würde wieder die gleiche Entscheidung treffen und die Stiftung gründen.“
Rainer Lechner – Was zeichnet ihn als Ihren Nachfolger aus?
Herbert Rösch: „Rainer Lechner kennt die Gradmann-Stiftung seit Anbeginn. Während meiner Zeit als Oberbürgermeister in Ostfildern hat er viel mit mir zusammengearbeitet. Er kennt alle Projekte der Stiftung von innen heraus und ist mit ihrer Philosophie vertraut. Er ist der erste Bürgermeister der Stadt Ostfildern. Ein ausgewiesener Experte als Finanzbürgermeister und hat ein großes Herz für die Altenpolitik. Ich könnte mir keinen besseren vorstellen als ihn. Wir brauchen auf diesen Posten jemanden, der prominent in der Stadt ist, um die Altenpolitik der Stadt mit den Zielen der Gradmann-Stiftung zu verknüpfen.“
Was werden Sie nach Ihrem Abschied mit Ihrer frei gewordenen Zeit machen?
Herbert Rösch: „Mein Leben wird sich nicht sonderlich ändern. Ich werde mich nach wie vor der Lektüre zuwenden, ich lese nämlich sehr gerne. Außerdem habe ich viel Freude an der Natur, werde viel wandern, Rad fahren, reisen und werde mich um meine wachsende Familie kümmern, die die Großeltern braucht. Meine drei Enkel werden von meiner größeren Freizeit profitieren. Ich hoffe, dass ich noch viele Jahre mit meiner Frau zusammen das Leben genießen werde."
Demenz Support: „Lieber Herr Rösch, vielen Dank für das Gespräch.“
Das Interview führte Marilena Berlan von Demenz Support Stuttgart.