Buch: Das Herz kennt keine Demenz
Was geht? Vieles in der Altenpflege!
Mit „Das Herz kennt keine Demenz“ hat der Alltagsbegleiter und Altenpfleger (inzwischen Pflegedienstleiter) ein Buch vorgelegt, in dem er seine Arbeit mit Menschen (mit und ohne Demenz) in einem Seniorenpflegeheim in Deutschland beschreibt.
#teamtippelkamp
Wenn er über Szenen seines Arbeitsalltags spricht, ist die Hauptprotagonistin Frau Tippelkamp. Und derer gibt es sehr viele im Buch (nur einmal auch einen Herrn Tippelkamp). Diese fiktive Patientin steht mit ihren Geschichten stellvertretend für alle Bewohner:innen, die Ayag in seinem Ausbildungs- und Berufsleben begleitet hat. Auf TikTok und Instagam hat er den Hashtag #teamtippelkamp initiiert und schreibt dort über sein Verständnis von Pflege.
Wer aber glaubt, dass es hier nur um eine Aneinanderreihung von lustigen Episoden aus dem Alltag von Pfleger Jimmy geht, der irrt. Ayag erklärt Besonderheiten verschiedener Krankheitsbilder und spart nicht mit Fachwissen. Nur verpackt er diese sehr charmant in seine Geschichten. Wenn er beispielsweise erzählt, wie er eine seiner Frau Tippelkamps motiviert, ganz viel Wasser zu trinken, erfahren wir, wie immens wichtig Biografiearbeit für eine gute Pflege von Menschen mit Demenz ist - Tom Kitwoods person-zentrierte Kommunikation lässt grüßen. Beklemmend, aber anschaulich wird im Buch eine (Kriegs-) Erinnerung beschreiben, die mit einem sehr nassen Pfleger, aber einer beruhigten Frau Tippelkamp endet. Und uns klarmacht, wie wichtig es ist, auch Mimik von Bewohner:innen „lesen zu können“. Neben den Gefühlswelten der Bewohner:innen geht er auch auf die Aufklärungsarbeit von Angehörigen, der Gratwanderung zwischen Mitgefühl - „Innerlich war ich selbst kurz vorm Heulen.“ - und Professionalität im Beruf ein.
„Underdog“ – viel Fachwissen erforderlich, Lachen erwünscht
Bei all den berührenden Geschichten, die Ayag beschreibt, hält er nicht hinter dem Berg, warum er sich zu Beginn sträubte, Pfleger zu werden: „Als Alltagsbegleiter war ich Bezugsperson, Ansprechpartner und ein Vertrauter, der, mit dem die Bewohner:innen über die Dinge wie die eigene Biografie, Sorgen oder Trauer sprechen konnten. (…) und dieses Sinnstiftende sollte ich aufgeben, um in die Pflege zu wechseln?“ Um genau zu sein in die Altenpflege, die, wie Ayag schreibt der „Underdog unter den Pflegeberufen ist“.
Denn neben den Einblicken in den Alltag von Bewohner:innen und Pflegekräften analysiert Ayag auch sehr nüchtern, warum Pflegeberufen ein so schlechter Ruf anhaftet, beschönigt nichts am katastrophalen Pflegesystem in Deutschland und hat dennoch eine Reihe Visionen zum Schluss parat. Diese sind dicke Bretter und mögen der ein oder anderen Pflegekraft bitter aufstoßen oder sie sogar verärgern. Doch er setzt bei sich selbst an und versucht seinem Motto „Jim, let's shine!“ so oft wie möglich treu zu bleiben.
Das Buch ist ein guter Einstieg für alle, die noch gar keine Berührung mit dem Thema Demenz und Altenpflege hatten. Und sich vielleicht auch für einen Beruf in der Pflege interessieren.
Priya Bathe
Jim Ayag: Das Herz kennt keine Demenz
Edition Michael Fischer / EMF Verlag
192 Seiten, 2025
ISBN: 978-3-7459-2325-4